Freitag, 31. März 2017

erschte klass

erschte klass
nemam oanzign laan sessl
sitz i


erste klasse
neben dem einzigen freien stuhl
sitze ich

kindagschroa am straund

kindagschroa am straund
uman mistkübi wespn und
pickate pappn


kindergeschrei am strand
rund um den mülleimer wespen und
klebrige mäuler

in da friah...

in da friah ...
a zü'n foahrt
in sonnenspiagl


tagesanbruch ...
eine zille gleitet in
den sonnenspiegel


(Zille = ein langes Boot,
das mit einer Stange vorwärts geschoben wird)

noch`m summareg`n

noch'm summareg'n -
de daumpfat'n wöda
üba'm zölla roa


Nach dem Sommerregen -
die dampfenden Wälder
über dem Zeller Rain

(Zeller Rain = Passstraße in Niederösterreich)

im romaloga

im romaloga
neiche stoffviechal
fia de gschropp'n


im romalager
neue stofftiere
für die kinder

NICHTS



  
 147 Seiten, 116 Haikus, Lyrik und Erzählungen über das Nichts...


Sonntag, 26. März 2017

entrümpelung


zwischen sein und nichtsein



Ich sitze in einem Raum. Vor mir ein Fenster. Ich sehe durch dieses Fenster einen Ausschnitt aus einem anderen Raum. Einen Teil der Welt. Ich weiß, dass da draußen eine Welt ist. Wüsste ich es nicht, wäre vor mir nur ein Bild. Ein bewegliches Bild, aus dem  sich ab und an Teile entfernen oder in das sich Teile hinzufügen. Gerade jetzt zeigt mir das Bild einige kahle Bäume, Schnee, einen Zaun und zwei Eichhörnchen, die auf den Bäumen und im Schnee herumspringen. Im Frühling werde ich schmelzenden Schnee und Knospen an den Bäumen sehen, im Sommer wird mein Bildausschnitt grün sein, im Herbst wird buntes Laub die Bäume schmücken. Das alles weiß ich, weil es immer so war. Das Bild verändert seine Form, seine Farben, seine Bewegungen. Würde ich meinen Platz nie verlassen, würde ich die Langsamkeit der Veränderung sehen. Mir würden aber auch die Beine einschlafen. Ich sitze hier und höre die Klänge einer Shakuhachi. Ich betrachte die kahlen Äste. Ich betrachte den Schnee. Die Bambusflöte ist nur der Klang eines Luftzuges. Die Eichhörnchen scheinen zu spielen. Sie sind dunkelbraun und bewegen sich flink und springen von Baum zu Baum. Manchmal entschwinden sie meinem begrenzten Bild. Später kommen sie wieder. In meinem Raum ist es warm. Außerhalb meines Raumes hat es Minusgrade. Manchmal stelle ich mir vor, außerhalb des Raumes zu sitzen, in den Raum herein zu schauen und mich sitzen zu sehen. So, als würde ein Baum vor meinem Fenster zu mir herein schauen. Was würde er in mir sehen? Wie würde er mich betrachten? Was würde er über mich denken? Kann ein Baum denken? Kann er einen Menschen als Menschen wahrnehmen? Die Bambusflöte klagt ihr Leid. Sie klingt verzweifelt. Hohe, abgehackte  Töne jagen einander durch die kahlen Äste der Bäume vor mir und begleiten die Eichhörnchen bei ihrem Tanz. Sie lenken mich ab von meiner Schau nach innen. Innen und außen. Wer bestimmt das? Befinde nicht ich, in meinem abgeschotteten Raum mich außen? Außerhalb der Natur, abgegrenzt von dem, was IST? Befindet sich nicht die Natur inmitten dessen was IST, also im Inneren des Seins? Die Bambusflöte singt jetzt. Sie versucht mir zu schmeicheln, mich sanft zu stimmen, nicht so streng mit mir zu sein. Meine Gedanken lassen sich von ihren Tönen tragen. Sie begeben sich zur Ruhe. Ich nehme das Bild vor mir wahr. Den Zaun, den Schnee, die kahlen Bäume. Die Eichhörnchen sind verschwunden. Ich sitze in einem Raum. Vor mir ein Fenster. Ich sehe durch dieses Fenster einen Ausschnitt aus einem anderen Raum. Einen Teil der Welt. Ich weiß, dass da draußen eine Welt ist. Wüsste ich es nicht, wäre vor mir nur ein Bild. Ein bewegliches Bild, aus dem sich ab und an Teile entfernen oder in das sich Teile hinzufügen. Gerade jetzt zeigt mir das Bild einige kahle Bäume, Schnee, einen Zaun und zwei Eichhörnchen die nicht mehr da sind. Die Eichhörnchen entspringen meiner Phantasie. Sie ist grenzenlos. Sie hat keinen Raum. Sie ist frei und flattert zwischen Sein und Nichtsein durch die Welten.  

apfelkerne
wie sich der baum
in seine form schläft

VERÖFFENTLICHT BEI "HAIGA IM FOCUS"

  Veröffentlicht in der Oktober-Ausgabe von HAIGA IM FOCUS